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BILANZIERUNG | Berechnungsparameter für Personalrückstellungen

Die einzelnen Parameter zur korrekten Berechnung von Personalrückstellungen (insbesondere also Rechnungszinssatz, Gehaltsteigerungen und Fluktuationsabschlag) sollten jeweils rechtzeitig bis zur Jahresabschlusserstellung geklärt sein. Die wesentlichen Gesetzesänderungen zur Bilanzierung von Personalrückstellungen durch das RÄG 2014 wurden hinsichtlich konkreter Berechnungen in einer AFRAC-Stellungnahme abgehandelt. Nähere Details dazu werden im nachfolgenden Beitrag erläutert.  

Die unternehmensrechtlichen Vorschriften für die Bilanzierung des grundsätzlich nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zu berechnenden sog. „Sozialkapitalrückstellungen“ - also Rückstellungen für Abfertigungsverpflichtungen, Pensionen, Jubiläumsgeldzusagen oder vergleichbare langfristig fällige Verpflichtungen – finden sich in § 211 UGB (vgl dazu bereits unseren NL-Beitrag „BILANZIERUNG | Personalrückstellungen nach dem RÄG 2014“ vom  13.8.2016). Nähere Details für die Berechnung dieser Rückstellungen finden sich in einer im Juni 2015 erstmals veröffentlichten und im Juni 2016 überarbeiteten AFRAC-Stellungnahme („AFRAC-Stellungnahme 27 Personalrückstellungen (UGB)“, nachfolgend kurz „AFRAC 27“ genannt). Dazu die nachfolgenden Details:

Ableitung Rechnungszinssatz

Das Unternehmensrecht ordnet in § 211 UGB an, dass langfristige Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr grundsätzlich mit einem „marktüblichen Zinssatz“ abzuzinsen sind.

Im Bereich der langfristigen Sozialkapitalrückstellungen kann laut Gesetz ein durchschnittlicher Marktzinssatz zur Anwendung kommen, wofür sowohl ein nomineller Stichtagszinssatz als auch ein nomineller Durchschnittszinssatz herangezogen werden kann:

Ein nomineller Stichtagszinssatz ist jener Zinssatz, zu dem sich ein Unternehmen mit hochklassiger Bonitätseinstufung am Abschlussstichtag der durchschnittlichen Restlaufzeit der Verpflichtungen im Wesentlichen entsprechendes Fremdkapital beschaffen kann. Dieser Stichtagszinssatz entspricht im Regelfall dem Marktzinssatz für Anleihen von Unternehmen mit hochklassiger Bonitätseinstufung, der mit der durchschnittlichen Restlaufzeit der Gesamtverpflichtung sowie der Währung, in der das Unternehmen die Zahlungen zu leisten hat, übereinstimmt. Als durchschnittliche Restlaufzeit kann vereinfachend eine solche von 15 Jahren angenommen werden, sofern dagegen im Einzelfall keine erheblichen Bedenken bestehen.

Als nomineller Durchschnittszinssatz kann der Durchschnitt der Marktzinssätze der letzten fünf bis zehn Jahre herangezogen werden. AFRAC 27 erlaubt, dass bei der Ermittlung des Durchschnittszinssatzes auch jene Zinssätze verwendet werden können, die nicht mehr als drei Monate vor dem Stichtag liegen (insb. für sog. „Fast Close“-Abschlüsse von Bedeutung).

Zu beachten ist, dass der gewählte Rechnungszinssatz in Abhängigkeit von der durchschnittlichen Restlaufzeit (=Duration) der konkreten Verpflichtung zu wählen ist:

Die Duration bei der Abfertigungsrückstellung ergibt sich im Wesentlichen aus der durchschnittlichen Restdienstzeit der Dienstnehmer.

Die Duration bei Pensions- und Jubiläumsgeldrückstellungen errechnet sich aus dem Verhältnis der fälligkeitsgewichteten Zahlungen zur Summe aller Zahlungen aus den bestehenden Verpflichtungen. Die Zahlungen betreffen bei der Jubiläumsgeldrückstellung die zukünftigen Jubiläumsgeldzahlungen, die in Abhängigkeit von der Betriebszugehörigkeit ausbezahlt werden und bei der Pensionsrückstellung die Pensionszahlungen, die nach Pensionsaustritt ausbezahlt werden. Vereinfachend kann, wie zuvor erwähnt,ebenfalls eine Restlaufzeit von 15 Jahren angenommen werden.

Nach AFRAC 27 können Unternehmen den Stichtagszinssatz aus einer linearen Interpolation aus zwei eng beieinander liegenden Zinssätzen im Bereich des erwarteten Zinssatzes vor dem Abschlussstichtag ermitteln. Die folgenden Links geben Hinweise auf die derzeit aktuellen Zinssätze:

Ableitung Gehaltssteigerungen 

Rückstellungen sind gemäß § 211 Abs 1 UGB grundsätzlich mit dem „Erfüllungsbetrag“ anzusetzen, der bestmöglich zu schätzen ist. Bei der „bestmöglichen Schätzung“ im Bereich der Sozialkapitalrückstellungen sind sowohl die Inflationsrate als auch die künftigen kollektivvertraglichen Gehaltssteigerungen sowie künftige übliche Karriereschritte im Unternehmen zu berücksichtigen, wobei außergewöhnliche Karriereentwicklungen von Arbeitnehmern vernachlässigt werden können.

Für die Praxis enthält AFRAC 27 insoferne eine Erleichterung für Unternehmen, als für die Gehaltssteigerungen unternehmensindividuelle Durchschnittswerte aus der Vergangenheit herangezogen werden können. Stellt das Personalverrechnungsprogramm keine entsprechende Auswertung zur Verfügung, so kann für eine repräsentative Anzahl an Dienstnehmern, welche die übliche Karriereentwicklung im Unternehmen widerspiegeln, anhand der durchschnittlichen Lohn- und Gehaltssteigerungen der letzten fünf bis zehn Jahren, auf Basis der Dienstnehmerlohnkonten eine durchschnittliche Gehaltssteigerung ermittelt werden. Vereinfachend kann man sich auch auf Daten aus öffentlich verfügbaren Branchenstatistiken stützen.

Zu beachten gilt, dass in personalintensiven Branchen die Gehaltssteigerungen getrennt für Pensions-, Abfertigungs- und Jubiläumsgeldrückstellungen zu ermitteln sind, wenn die Personalrückstellungen einen wesentlichen Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage haben.

Ableitung Fluktuationsabschläge

Im Fluktuationsabschlag sind neben der allgemeinen Fluktuation im Belegschaftsstand auch die Invalidität bzw Todesfälle von Arbeitnehmern zu berücksichtigen.

Prinzipiell kann die erwartete Fluktuation aus unternehmensinternen Daten der Vergangenheit ermittelt werden. Einerseits sollte die Ableitung des Fluktuationsabschlages auf Basis von Kopfzahlen ausgeschiedener Mitarbeiter erfolgen, andererseits sind nur jene Mitarbeiter in der Berechnung zu berücksichtigen, die einen Leistungsanspruch (Pension, Abfertigung, Jubiläum) hatten. Außerordentliche Verhältnisse in der Vergangenheit (wie etwa Ausgliederungen) sind für zukünftige Prognosen nicht zu berücksichtigen.

Die Fluktuationswahrscheinlichkeit ist differenziert nach Altersgruppen von Mitarbeitern zu ermitteln, zumal die Kündigungswahrscheinlichkeit mit steigender Unternehmenszugehörigkeitsdauer abnimmt.

In der Praxis wird bei Abfertigungsrückstellungen häufig gar kein Fluktuationsabschlag berücksichtigt, da  ein Dienstverhältnis nur selten ohne Zahlung einer Abfertigung beendet wird. Empfehlenswert ist die Berechnung von Fluktuationsabschlägen durch Versicherungsmathematiker, welche idR über die oa Faktoren hinausgehende Aspekte berücksichtigen.

Exkurs: Teiler von Urlaubsrückstellungen

Nicht in der AFRAC-Stellungnahme sondern in der Literatur wird mitunter auch der „richtige“ Tagesteiler für Urlaubsrückstellungen (tageweise Bewertung von Urlaubsguthaben für Zwecke der periodenrichtigen Abgrenzung im Jahresabschluss) kontroversiell diskutiert. Dabei stehen drei unterschiedliche Teiler zur Debatte, nämlich der auf Basis produktiver Arbeitstage (=IST-Arbeitstage) oder jene auf Basis von Arbeitstagen bzw Werktagen. Die Frage nach dem in der Praxis des Unternehmensbilanzrechts zu verwendenden Teiler ist derzeit unklar. Sehr häufig findet man bei den Rückstellungsberechnungen den Teiler auf Basis von Arbeitstagen vor (was auch der hM im Steuerrecht entspricht). Die drei fraglichen Tagesteiler stellen sich wie folgt dar:

Teiler auf Basis von Arbeitstagen = (5*52)/12 = 21,67

Teiler auf Basis von Werktagen = (6*52)/12 = 26

Teiler auf Basis IST-Arbeitstage = (5*52) –25 Urlaubstage –13 Feiertage –7 Krankheitstage

                                                 = 215/12 = 18

Argument gegen einen Teiler auf Basis der produktiven Arbeitstage (= hM in Deutschland) ist, dass durch Bildung der Rückstellung auf Basis von IST-Arbeitstagen die Kosten für Nichtleistungszeiten der Folgeperiode bereits der Vorperiode angelastet werden. Andere Meinungen sprechen für eine Berechnung mit den effektiven Tagen, da das Bruttojahresentgelt ausschließlich auf die Anzahl an Werktagen abzüglich der Urlaubs- und Ausfallstage aufgeteilt wird, an denen der Arbeitnehmer Leistung erbringt. Auf diese Weise kann die wirtschaftliche Leistung und die Gegenleistung des Arbeitnehmers gegenübergestellt und auch gewährleistet werden.

Zusammenfassung 

Wie aus den obigen Ausführungen hervorgeht, verlangt die Festlegung der einzelnen Parameter zur Berechnung von Personalrückstellungen eine Reihe von Entscheidungen, die aus bilanzpolitischer Sicht durchaus spannend sind. Dabei sind einerseits die Grundsätze ordnungsgemäßer Bilanzierung in Form der Bewertungsstetigkeit zu beachten und sollte andererseits die Definition von Parametern mit zukunftsgerichtetem Blick, insbesondere auf die Entwicklung der Zinslandschaft, erfolgen.

Exkurs Steuerrecht: Die obigen Ausführungen betreffen ausschließlich die Berechnung der Personalrückstellungen für Zwecke der UGB-Bilanz. Für die Ermittlung der ertragsteuerlichen Rückstellungswerte sind die teils erheblich abweichenden zwingenden Spezialnormen des Einkommensteuergesetzes zu beachten (insb. §§ 9 und 14 EStG), wobei die daraus resultierenden Bilanzabweichungen in der Praxis idR im Wege einer steuerlichen Mehr-Weniger-Rechnung berücksichtigt werden.

Für weitere Fragen zur Bilanzierung von Personal- bzw Sozialkapitalrückstellungen stehen Ihnen die Verfasserinnen sowie auch die übrigen Mitarbeiter unseres Bilanzierungs- und WP-Teams gerne zur Verfügung!