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CORONAVIRUS | BMF-Info zur DBA-Anwendung in Zeiten von COVID-19

Mitterlehner Matthias  |  Saliji Murat

Das österreichische BMF hat am 22.5.2020 eine eigene Info zur Anwendung und Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie veröffentlicht. In diesem Informationsschreiben wird auf die steuerliche Behandlung des Arbeitslohns bei Ausübung von Tätigkeiten im Homeoffice eingegangen und ob dadurch eine steuerliche Betriebsstätte begründet wird. Ein weiterer sehr wichtiger Punkt in dieser Information ist die abkommensrechtliche Behandlung von Kurzarbeitsvergütungen. Weiters wird auf die Frage eingegangen, inwieweit COVID-19-bedingte Unterbrechungen von Bau- und Montagebetriebstätten zu einer Fristhemmung führen.

Das OECD Secretariat hat sich bereits Anfang April mit einigen abkommensrechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit der COVID-19 Krise auseinandergesetzt. Auch eine Konsultationsvereinbarung mit Deutschland wurde in dieser Sache bereits abgeschlossen. Darüber haben wir im Rahmen unseres Newsletters bereits ausführlich informiert (siehe dazu auch nochmals die Hinweise am Ende dieses Beitrags). 

Der nachfolgende Beitrag widmet sich den Kerninhalten der aktuellen BMF-Info vom 22.5.2020, womit nunmehr auch das österreichische Finanzministerium zu DBA-rechtlichen Fragestellungen im Kontext mit COVID-19 Stellung nimmt: 

Behandlung des Arbeitslohns iZm im Homeoffice geleisteten Tätigkeiten 

Aufteilung des Besteuerungsrechts nach Art. 15 OECD-MA

Art. 15 Abs. 1 und 2 OECD-Musterabkommen kommen zur Anwendung, wenn im anzuwendenden Doppelbesteuerungsabkommen keine Grenzgängerregelung besteht oder eine solche Regelung nicht zur Anwendung gelangt, weil die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt sind. Für Arbeitnehmer, die in einem Vertragsstaat ansässig sind, jedoch im anderen Vertragsstaat ihren Arbeitgeber und Arbeitsort haben, gilt grundsätzlich, dass diese Vergütungen im Tätigkeitsstaat besteuert werden. Der Ansässigkeitsstaat hat hingegen grundsätzlich kein Besteuerungsrecht und deshalb - in Abhängigkeit vom jeweiligen Methodenartikel - diese Vergütungen unter Progressionsvorbehalt freizustellen oder die Steuer des Arbeitgeberstaates unter Berücksichtigung des Anrechnungshöchstbetrages auf die inländische Steuer anzurechnen. 

Wird nun dieser Arbeitnehmer aufgrund der COVID-19-Pandemie im Homeoffice und somit in seinem Ansässigkeitsstaat für seinen Arbeitgeber tätig, so muss die Vergütung zwischen Ansässigkeitsstaat und Arbeitgeberstaat – auf Basis der auf die in den jeweiligen Staaten entfallenden Arbeitstage - aufgeteilt werden. Dabei darf der Ansässigkeitsstaat jenen Teil der Vergütung besteuern, der auf die Arbeitstage im Homeoffice entfällt. Der auf die Arbeitstage im Arbeitgeberstaat entfallende Teil der Bezüge ist gemäß dem jeweils anwendbaren Methodenartikel von der Doppelbesteuerung zu entlasten. Es sei hier nochmals besonders darauf hingewiesen, dass österreichische Dienstnehmer, die für ihren ausländischen Arbeitgeber während des „Lockdown“ im Homeoffice gearbeitet haben, gemäß § 47 Abs 1 EStG eine Lohnsteuerabzugsverpflichtung für den ausländischen Arbeitgeber auslösen können (vgl dazu unseren NL-Beitrag „LOHNSTEUER | Neue Abzugspflicht für Auslandsunternehmer ab 1.1.2020!“ vom 19.10.2019). 

Allfällige bilateral getroffene Konsultationsvereinbarungen gehen diesen allgemeinen Regelungen jedoch bevor. Eine solche Konsultationsvereinbarung wurde beispielsweise mit Deutschland hinsichtlich der Anwendung des Art. 15 Abs. 1 DBA-Deutschland geschlossen. Demnach können Arbeitstage, an denen Arbeitnehmer nur aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie ihre Tätigkeit im Homeoffice ausüben, als in dem Vertragsstaat verbrachte Arbeitstage behandelt werden, in dem die Arbeitnehmer ihre Tätigkeit normalerweise - also ohne die besonderen Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie - ausgeübt hätten. 

Besteuerungsrecht bei expliziten Grenzgängerregelungen in DBA

Die österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland, Liechtenstein und Italien enthalten eine sog. „Grenzgängerregelung“. Eine solche Regelung führt dazu, dass Personen, die im Grenzgebiet arbeiten und wohnen und arbeitstäglich pendeln, mit ihren Einkünften – trotz Tätigkeit im anderen Staat – im Ansässigkeitsstaat steuerpflichtig bleiben. Mit Deutschland wurde bereits im Rahmen der oa Konsultationsvereinbarung ausdrücklich vereinbart, dass das Verbleiben im Homeoffice aufgrund der COVID-19-Pandemie den Steuerstatus als Grenzgänger nicht negativ beeinflussen soll. Dies soll nach Ansicht des österreichischen BMF auch im Hinblick auf die Grenzgängerregelung in Art 15 Abs 4 des DBA mit Liechtenstein gelten. Mit Italien laufen noch diesbezügliche Konsultationsgespräche.

Behandlung von Entgeltentschädigungen bei Kurzarbeit 

Aufteilung des Besteuerungsrechts nach Art. 15 OECD-MA 

Das österreichische Modell der Kurzarbeitsunterstützung stellt eine teilweise Entschädigung für den Verdienstentgang von staatlicher Seite dar. Die Vergütungen werden jedoch vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer ausbezahlt und in der Lohnverrechnung des Arbeitgebers als Lohnbestandteil berücksichtigt. Diese Kurzarbeitsunterstützung ist aufgrund des Kausalitätsprinzips grundsätzlich in jenem Staat zu besteuern, in dem die zugrunde liegende Tätigkeit ausgeübt worden wäre. 

DBA mit Sonderbestimmungen zu Bezügen aus der gesetzlichen Sozialversicherung etc 

Ist im jeweiligen DBA hingegen eine Sonderregelung für Bezüge aus einer gesetzlichen Sozialversicherung oder ähnliche Einkünfte enthalten, so ist das Besteuerungsrecht für Entgeltentschädigungen nach der Sonderbestimmung zu beachten, wobei im Regelfall eine Besteuerung im Kassenstaat vorgesehen ist. Österreich hat eine derartige Sonderregelung etwa im DBA mit Deutschland vereinbart. Im Rahmen der Konsultationsvereinbarung mit Deutschland wurde konkret festgelegt, dass das deutsche Kurzarbeitergeld und die österreichische Kurzarbeitsunterstützung als Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung im Sinne von Art 18 Abs 2 des DBA zu qualifizieren und daher im jeweiligen Kassenstaat zu besteuern sind. 

Tageweise Steuerberechnung 

Ist der Lohn nach dem jeweils anwendbaren DBA zu befreien, die Kurzarbeitsunterstützung hingegen nicht (oder umgekehrt), so stellt sich die Frage, wie damit beim Lohnsteuerabzug umzugehen ist. Gemäß § 77 Abs. 1 dritter Satz EStG 1988 stellen die Kalendertage auch dann den Lohnzahlungszeitraum dar, wenn bei Berechnung der Lohnsteuer unter Berücksichtigung eines DBA oder einer Maßnahme gemäß § 48 BAO ein Teil des für den Kalendermonat bezogenen Lohns aus der inländischen Steuerbemessungsgrundlage ausgeschieden wird. Somit ist es für die Besteuerung erforderlich, die Kurzarbeitsunterstützung nach Kalendertagen zuzuordnen. 

In Fällen von Kurzarbeiterunterstützung bietet es sich daher an, die Anzahl der Kalendertage in einem prozentuellen Verhältnis zu ermitteln. Dabei sollte die Kurzarbeitsunterstützung in ein Verhältnis mit der Gesamtentlohnung gesetzt werden. Anhand dieses Verhältnisses wird die Anzahl der relevanten Kalendertage während der Kurzarbeitsphase nach § 77 Abs. 1 EStG 1988 errechnet. 

Homeoffice-Tätigkeiten als Betriebsstätten ausländischer Arbeitgeber? 

Die Ausübung einer Tätigkeit im Homeoffice aufgrund von COVID-19-bedingten Empfehlungen bzw Auflagen der jeweiligen Regierungen ist auf Einflüsse „höherer Gewalt“ zurückzuführen und begründet - sofern die Arbeit im Homeoffice nicht zum Regelfall wird - keine abkommensrechtliche Betriebsstätte für das ausländische Unternehmen. Es fehlt hier nach Ansicht des BMF an einem ausreichenden Maß an Beständigkeit und Kontinuität. Weiters fehlt es grundsätzlich an einer ausreichenden Verfügungsmacht seitens der Unternehmens über das Homeoffice des Dienstnehmers. Zudem existiert im Regelfall ein Büro, welches der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer normalerweise zur Verfügung stellen würde. 

COVID-19-bedingte Unterbrechungen bei Bauausführungen und Montagen 

Die Begründung von abkommensrechtlichen Bau- und Montagebetriebsstätten ist in der Regel an eine bestimmte Frist gebunden, welche gemäß Art. 5 Abs. 3 OECD-MA mit einer Dauer von zwölf Monaten bestimmt ist. Vorübergehende Unterbrechungen sind nach Tz 55 OECD-MK zu Art 5 OECD-MA in diese Fristberechnung grundsätzlich miteinzubeziehen. Dies gilt nach Ansicht des BMF auch im Falle von COVID-19-bedingten Unterbrechungen. Bei Unterbrechungen einer Bauausführung oder Montage aufgrund der COVID-19-Pandemie wird somit die Berechnung der Frist NICHT gehemmt. Auch hier gilt aber wiederum, dass bilaterale Vereinbarungen dieser allgemeinen Regelung vorgehen: 

Dazu werden derzeit Konsultationsgespräche mit Deutschland geführt. Gemäß der FAQ „Corona“ (Steuern) des deutschen BMF käme es bei COVID-19-bedingten Unterbrechungen aus deutscher Sicht zu einer Fristhemmung, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind (siehe dazu auch unseren NL-Beitrag „CORONAVIRUS | Fristhemmung für Bau- und Montagearbeiten in Deutschland“ von 27.4.2020): 

  • die Unterbrechung beträgt mindestens zwei Wochen,
  • die Arbeitnehmer und beauftragten Subunternehmer werden vom Montageort abgezogen und
  • Sicherstellung, dass entsprechende Einkünfte im Ansässigkeitsstaat besteuert werden, wenn es aufgrund der Fristenhemmung zu keiner Betriebsstättenbegründung kommt. 

Daher ACHTUNG: Deutsche Unternehmen mit Bauprojekten in Österreich könnten ohne entsprechende Konsultationsvereinbarung mit einer Doppelbesteuerung konfrontiert werden. Denn nach deutscher Ansicht wären COVID-19-bedingte Unterbrechungen bei der Betriebsstättenfristberechnung nicht zu berücksichtigen, nach österreichischer Auffassung hingegen schon.

FAZIT

Das österreichische BMF folgt in seinem Informationsschreiben vom 22.5.2020 großteils den vorangegangenen Aussagen des OECD Secretariats zur Auslegung und Anwendung von DBA in Zeiten von COVID-19. Die österreichische BMF-Info, deren fortlaufende Wartung avisiert wurde, enthält aber bislang keine Aussagen zu Vertreterbetriebsstätten und zur Ansässigkeit von natürlichen Personen und Körperschaften. Insoweit Dienstnehmer während der Phase des Lockdowns im Homeoffice in einem anderen Staat gearbeitet haben oder es zu Unterbrechungen bei Bau- oder Montageausführungen gekommen ist, sollte der Sachverhalt jedenfalls genau geprüft werden. Gerade in diesen Fällen kann es nämlich zu unvorhergesehenen steuerlichen Verpflichtungen kommen. Eine gute Dokumentation aller relevanten Sachverhalte erscheint gerade im Hinblick auf potentielle Betriebsstätten jedenfalls unerlässlich. 

Zum obigen Themenkomplex dürfen wir Sie noch auf folgende weitere Veröffentlichungen unseres Hauses aufmerksam machen: 

Als Kompetenzzentrum für internationales Steuerrecht beobachten wir die weiteren Entwicklungen sorgfältig und werden Sie auch weiterhin auf dem Laufenden halten. Sollten Sie Fragen zu Ihren grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeiten haben, so zögern Sie bitte nicht, die Verfasser sowie gerne auch die übrigen ExpertInnen der Service Line "International Tax" zu kontaktieren.