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UMSATZSTEUER | Neuerungen im EU/EWR-Raum ab 2023

In kaum einer anderen Steuerart werden mit derartiger Häufigkeit (oftmals weitreichende) gesetzliche Änderungen bzw Neuerungen durchgeführt wie im Bereich der Umsatzsteuer. Sowohl auf europäischer Ebene als auch länderspezifisch kommt es alljährlich zu zahlreichen Anpassungen in Gesetzen sowie in der Verwaltungspraxis und Rechtsprechung. Aktuell wird insbesondere auch die Änderung von Umsatzsteuersätzen verstärkt als steuerpolitisches Lenkungsinstrument eingesetzt. Grundlage hiefür ist die im Jahr 2022 veröffentlichte und von vielen Mitgliedstaaten bereits angewandte EU-RL 2022/542 zur Straffung der (ermäßigten) Mehrwertsteuersätze innerhalb der EU. Im nachfolgenden Beitrag fassen wir – auch im Sinne der alljährlichen Tradition zum Jahreswechsel – wesentliche umsatzsteuerrechtliche Änderungen im EU/EWR-Raum im neuen Jahr übersichtlich zusammen, ohne freilich einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.

Nachdem wir Ihnen mit unserem NL-Beitrag UMSATZSTEUER | Änderungen im EU/EWR-Raum ab 2022“​​​​​​​ vom 17.12.2021 einen Überblick über geplante umsatzsteuerliche Neuerungen zum Jahreswechsel 2021/2022 in verschiedenen europäischen Staaten gegeben hatten, sind wir im NL-Beitrag „UMSATZSTEUER | Update: Aktuelle Neuerungen in Europa“ vom 15.3.2022 auf weitere aktuelle Änderungen eingegangen. Der nachfolgende Beitrag soll Ihnen – wiederum ohne Anspruch auf Vollständigkeit – ein Update zum bevorstehenden Jahreswechsel 2022/2023 bieten, wobei wir zunächst nochmals einige wesentliche Neuerungen in Österreich in Erinnerung rufen möchten, um sodann – in alphabetischer Reihenfolge - auf einige EU-Mitgliedstaaten sowie auch Großbritannien und die Schweiz einzugehen:


​​​​​​​​​​​​​​Österreich


Auch die österreichische Gesetzgebung und Finanzverwaltung war hinsichtlich umsatzsteuerrechtlicher Neuerungen in letzter Zeit sehr aktiv:

Belgien


​​​​​​​In Belgien wird es einige verfahrensrechtliche Neuerungen geben: Für die Umsatzsteuer relevant ist unter anderem die Verlängerung der Verjährungsfrist für verspätet oder nicht abgegebene Steuererklärungen von bisher drei auf vier Jahre. Bei in Frage stehendem Mehrwertsteuerbetrug beträgt die Verjährungsfrist unverändert zehn Jahre. Die angepasste Frist gilt für ab 1.1.2023 fällig werdende Umsatzsteuern.
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Dänemark


​​​​​​​In Dänemark gab es bisher keine Verzugszinsen zur Sanktionierung einer verspäteten umsatzsteuerlichen Registrierung bzw des Versäumnisses einer dadurch nicht abgeführten Umsatzsteuer. Darauf wurde nunmehr mit einer gesetzlichen Änderung reagiert, sodass seit 15.6.2022 im Falle einer verspäteten Registrierung Verzugszinsen iHv 8,4 % pa verhängt werden.

Die Regelung zielt insbesondere auf ausländische Unternehmer ab, die in Dänemark einer umsatzsteuerlichen Registrierungsverpflichtung bis dato (bewusst oder unbewusst) nicht nachgekommen waren. Die drohenden Verzugszinsen sollen einen „Anreiz“ bewirken, um (registrierungspflichtige) ausländische Unternehmer vermehrt zu einer Registrierung und damit umsatzsteuerrechtlich korrekten Abwicklung zu bewegen.

 

Deutschland

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Der in Deutschland für Restaurations- und Verpflegungsdienstleistungen ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % (temporär eingeführt im Rahmen der COVID-19-Pandemie) wird bis 31.12.2023 in Geltung bleiben (ursprünglich sollte diese Maßnahme am 31.12.2022 auslaufen). Die Ausgabe von Getränken bleibt auch weiterhin von der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ausgeschlossen. Näheres zur Auswirkung dieser steuerpolitisch durchaus umstrittenen Maßnahme können Sie unter anderem in unseren NL-Beiträgen „CORONAVIRUS | DEUTSCHLAND: Befristete Senkung der Mehrwertsteuer“ vom 7.6.2020 sowie „CORONAVIRUS | Temporäre Umsatzsteuersatzsenkungen in der EU“​​​​​​​ vom 1.8.2020 nachlesen.

 

Frankreich


​​​​​​​​​​​​​​Zeitpunkt der Steuerschuldentstehung

Mit 1.1.2023 tritt für in Frankreich tätige Unternehmer eine wichtige umsatzsteuerrechtliche Änderung in Kraft, die den Zeitpunkt der Steuerschuldentstehung bei Anzahlungen auf Lieferungen betrifft. Bislang galten erhaltene Anzahlungen auf später ausgeführte Lieferungen in Frankreich als noch nicht steuerbar bzw entstand die Steuerschuld auf derartige Leistungen erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Ausführung der Lieferung. Anzahlungen auf in Frankreich steuerbare Dienstleistungen unterlagen hingegen bereits bisher im Zeitpunkt der Entgeltvereinnahmung der Umsatzsteuer.

Diese bisherige Regelung fand im Unionsrecht keine Deckung, weshalb Frankreich dazu angehalten war, die nationale Bestimmung anzupassen. Artikel 65 MwStSyst-RL normiert nämlich, dass eine vor der tatsächlichen Lieferung von Gegenständen geleistete Anzahlung bereits zum Zeitpunkt der Vereinnahmung entsprechend dem vereinnahmten Betrag der Umsatzsteuer unterliegt. Ab 1.1.2023 gilt dies nun also auch in Frankreich.

Für Anzahlungen auf in Frankreich steuerbare Lieferungen muss daher ab 1.1.2023 bereits im Zeitpunkt der Entgeltvereinnahmung die Umsatzsteuer an die französische Steuerbehörde abgeführt werden. Gleichzeitig kann auch der Leistungsempfänger ab diesem Zeitpunkt den Vorsteuerabzug geltend machen.

 

E-Invoicing/E-Reporting

Frankreich plant schon seit einiger Zeit den schrittweisen Ausbau der E-Invoicing- bzw E-Reporting-Pflichten. Während die elektronische Meldepflicht bereits seit längerer Zeit sowohl für ansässige als auch nicht ansässige Unternehmer Gültigkeit hat, wird nun auch die elektronische Rechnungsausstellungspflicht in mehreren Etappen zur Realität, welche mit 1.7.2024 beginnen soll: Ab diesem Datum sollen vorerst nur Großunternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 1,5 Mrd EUR oder einer Bilanzsumme von mehr als 2 Mrd EUR zur elektronischen Rechungsausstellung verpflichtet werden.

Dazu wurde mitgeteilt, dass von der elektronischen Rechnungsausstellungspflicht alle in Frankreich steuerbaren Lieferungen und Dienstleistungen zwischen in Frankreich ansässigen mehrwertsteuerpflichtigen Unternehmen umfasst sind. Ausschlaggebend ist, dass für die jeweilige Transaktion die französischen Regelungen zur Rechnungsausstellung zur Anwendung kommen müssen. Bei Unternehmern mit Sitz außerhalb Frankreichs dürfte dies somit nur im Falle der Begründung einer umsatzsteuerlichen Betriebsstätte in Frankreich und Leistungserbringung durch diese Betriebsstätte erfüllt sein.

 

Großbritannien


Strafzuschläge und Zinsen

Im umsatzsteuerlichen „Drittland“ Großbritannien ändern sich ab 1.1.2023 die Strafen für zu spät bezahlte Umsatzsteuerschulden und verspätet eingereichte Umsatzsteuererklärungen sowie die Verzinsung der Umsatzsteuer (letztere sowohl für Zahllasten als auch Guthaben). Betroffen sind sämtliche Abgabeperioden, die nach dem 1.1.2023 beginnen. Im Detail betreffen die Änderungen die Berechnungsweise der Strafen und Zinsen.

Der Zinssatz für zu spät bezahlte Umsatzsteuerschulden beträgt ab 2023 2,5%-Punkte über dem Basiszinssatz (festgelegt von der Bank of England!). Bisher galt für die verspätete Auszahlung von Umsatzsteuerguthaben ein Rückzahlungszuschlag, ab 2023 bezahlt die britische Behörde („HMRC“) hingegen Zinsen auf die verspätet ausbezahlte Vorsteuer. Berechnet werden die Zinsen ab dem Fälligkeitsdatum bzw ab dem Datum der Einreichung (je nachdem, welches Ereignis später eintritt) bis zu dem Tag, an dem HMRC den geschuldeten Umsatzsteuerbetrag in voller Höhe auszahlt. Die Zinsen werden ausgehend vom Basiszinssatz der Bank of England berechnet, wovon 1 %-Punkt abgezogen wird, jedoch ein Mindestzinssatz von 0,5 % gilt.

 

Änderung des Zollsystems (CDS)

Seit Mitte des Jahres müssen Einfuhranmeldungen in Großbritannien über das neue ZollsystemCustoms Declaration Service“ (CDS) abgewickelt werden. CDS ersetzt das bisherige CHIEF-System („Customs Handling of Import and Export Freight“). Der letzte Tag zur Abwicklung einer Exportanmeldung aus Großbritannien über CHIEF ist der 31.3.2023. Ab dann müssen sowohl Einfuhr- als auch Ausfuhranmeldungen ausschließlich über CDS abgewickelt werden.

Die Zollabwicklung in UK kann generell nur von in Großbritannien ansässigen Unternehmen durchgeführt werden. Tätigen ausländische Unternehmen Einfuhren in oder Ausfuhren aus Großbritannien, so muss sichergestellt werden, dass der eingebundene Zolldienstleister (als indirekter Vertreter) bereits mit der Nutzung von CDS vertraut ist.
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Irland


​​​​​​​Hinsichtlich umsatzsteuerlicher Registrierungen in Irland wird zwischen rein inländischen Registrierungen („domestic only“) und für den innergemeinschaftlichen Warenverkehr freigeschaltete Registrierungen unterschieden. Unternehmen, die bislang nur eine rein inländische Registrierung besitzen und planen, innergemeinschaftliche Lieferungen aus Irland oder innergemeinschaftliche Erwerbe in Irland zu tätigen, müssen dies ab 2023 der irischen Steuerbehörde (Revenue) innerhalb von 30 Tagen bekanntgeben.

Weiters wurde die Gültigkeit des temporär eingeführten reduzierten Steuersatzes von 9 % für die Lieferung von Elektrizität und Gas vorerst bis 28.2.2023 verlängert.


Litauen

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​​​​​​​Anwendungsbereich reduzierter Steuersatz (9 %)

In Litauen wird sich der Anwendungsbereich des reduzierten Steuersatzes iHv 9 % per 1.1.2023 ändern: Dieser Steuersatz wird ab 2023 auch für Beherbergungsleistungen und den Eintritt zu kulturellen Veranstaltungen bzw Ausstellungen gelten. Darüber hinaus wird der 9%-Steuersatz bis Ende des Jahres 2023 weiterhin für Catering-Dienstleistungen und bis 30.6.2023 für Dienstleistungen von Sportlern und Künstlern gelten.

 

Vorsteuerabzug für E-Autos

Grundsätzlich ist in Litauen beim Kauf von PKWs kein Vorsteuerabzug zulässig. Ab 1.1.2023 wird steuerpflichtigen Unternehmern ein Vorsteuerabzug beim Kauf von bestimmten Elektroautos ermöglicht. Der Vorsteuerabzug soll zulässig sein, wenn der Wert des Elektroautos EUR 50.000 (inkl. USt) nicht übersteigt. Ein Vorsteuerabzug soll auch zustehen, wenn ein PKW mit einem Wert von maximal EUR 50.000 gemietet wird. Hybridfahrzeuge sind vom Vorsteuerabzugsrecht auch weiterhin ausgeschlossen.

 

Intrastat-Schwellenwerte

Litauen erhöht die derzeit geltenden Intrastat-Schwellenwerte ab 1.1.2023 wie folgt:​​​​​​​​​​​​​​

  • Lieferungen | Erhöhung von derzeit EUR 200.000 auf EUR 300.000
  • Erwerbe | Erhöhung von derzeit EUR 280.000 auf EUR 500.000

 

Luxemburg


​​​​​​​Auch Luxemburg setzt - ähnlich wie Deutschland, Irland und Litauen - im Kampf gegen die Inflation auf eine Reduktion der Mehrwertsteuersätze. Anstelle des derzeitigen Normalsteuersatzes von 17 % wird 2023 ein Steuersatz von 16 % gelten, der „mittlere“ Steuersatz wird von 14 % auf 13 % gesenkt und der ermäßigte Steuersatz von derzeit 8 % auf 7 %. Diese „Sondersteuersätze“ sollen vorerst für das gesamte Jahr 2023 gelten.

 

Rumänien


​​​​​​​Auch die in Rumänien zu erwartenden Änderungen beziehen sich auf die Umsatzsteuersätze. Aber anders als Deutschland hält Rumänien ab 2023 nicht mehr am reduzierten Umsatzsteuersatz für Beherbergungs-, Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen iHv 5 % fest. Per 1.1.2023 wird der Umsatzsteuersatz für diese Leistungen wieder auf seine ursprüngliche Höhe von 9 % angehoben. Darüber hinaus wurde die Liste der Lebensmittel (oder ähnlicher Waren), auf die ebenfalls der Umsatzsteuersatz von 9 % zur Anwendung gelangt, angepasst.

 

Schweiz


​​​​​​​2023 wird es in der Schweiz lediglich eine geringfügige Anpassung des Mehrwertsteuerrechts geben. Konkret wird die Grenze für die MwSt-Pflicht von gemeinnützigen Institutionen oder ehrenamtlich geführten Sport- oder Kulturvereinen von CHF 150.000 auf CHF 250.000 erhöht.

2024 soll es hingegen zu umfangreichen Anpassungen kommen: Zum einen sollen die aktuellen MwSt-Sätze erhöht werden (nämlich von derzeit 7,7 % auf 8,1 %, von 3,7 % auf 3,8 % und von 2,5 % auf 2,6 %). Zum anderen wird angedacht, eine Besteuerung von E-Plattformen für Lieferungen über elektronische Schnittstellen, ähnlich den unionsweit geltenden Regelungen im E-Commerce-Bereich, einzuführen. Zusätzlich zur Besteuerung der Plattformen sollen diesen weitere administrative Verpflichtungen (Kennzeichnung der Sendungen, Aufzeichnungspflichten etc) auferlegt werden.

 

FAZIT


Der Dschungel an verschiedensten mitgliedstaatenspezifischen umsatzsteuerlichen Regelungen verdichtet sich durch die zahlreichen innerstaatlichen Neuerungen also weiter. Viele der skizzierten Änderungen zeitigen für die betroffenen steuerpflichtigen Unternehmen einen entsprechenden Handlungsbedarf. Auch ist darauf hinzuweisen, dass in einzelnen EU-Mitgliedstaaten weitere Änderungen nicht auszuschließen sind und die dargestellten Änderungen teilweise noch auf Gesetzesentwürfen basieren. Sobald weitere berichtenswerte Änderungen beschlossen bzw konkretisiert werden, werden wir Sie im Rahmen unseres Newsletters natürlich wieder darüber informieren.

Sollten Sie weitergehende Fragen haben oder Unterstützung bei der Umsetzung der umsatzsteuerrechtlichen Änderungen benötigen, stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen Expertinnen unserer Service Line "Indirect Tax & Customs" natürlich gerne zur Verfügung!