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WIRTSCHAFTSPRÜFUNG | Neue Nachhaltigkeitsberichte aus Prüfersicht

Die überarbeitete EU-Richtline zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) vom April 2021 stellt unter anderem auch die Abschlussprüfer vor neue Aufgaben und Herausforderungen. Die nach dem vorliegenden Richtlinienentwurf künftig erheblich erweiterte nichtfinanzielle Berichterstattung ist von zentraler Bedeutung für die Klimaziele der Europäischen Union, weshalb diese Berichte auch entsprechend geprüft werden sollen. Dies führt zu umfangreichen neuen Anforderungen an die Wirtschaftsprüfer, die in der Regel für die verpflichtende externe Prüfung zuständig sind. Folglich müssen sich die Prüfer sowohl fachlich als auch personell auf die bevorstehenden neuen Aufgaben vorbereiten. In diesem Zusammenhang gibt es derzeit allerdings noch viele offene Fragen, etwa welche konkreten Prüfungshandlungen zu setzen sein werden, welche Qualifikationen bzw Zertifizierungen prüferseitig verlangt werden und wie der künftige Prüfbericht auszusehen hat. Eine abschließende Beantwortung dieser wichtigen Fragen wird erst nach Verabschiedung der finalen EU-Richtlinie möglich sein. Nichtsdestotrotz möchten wir Ihnen im nachfolgenden Beitrag einen Überblick über den aktuellen Stand geben.

In unserem NL-Beitrag „RECHNUNGSLEGUNG | Neue Nachhaltigkeitsberichte für Unternehmen“  vom 20.11.2021 hatten wir bereits wesentliche Neuerungen der künftigen Nachhaltigkeitsberichterstattung skizziert bzw die Eckpunkte des Entwurfs der maßgeblichen EU-Richtlinie („Corporate Sustainability Reporting Directive“ - CSRD) erläutert. 

Wie bereits im oa NL-Beitrag erwähnt, wird es durch die CSRD zu einer erheblichen Ausweitung der Nachhaltigkeitsberichterstattung kommen: Die Zahl der betroffenen Unternehmen soll sich aufgrund der neuen Richtlinie innerhalb der Europäischen Union von derzeit 11.600 auf rund 49.000 Unternehmen erhöhen bzw alleine in Österreich von rund 200 auf künftig etwa 2.000 Unternehmen, was somit einer Verzehnfachung entspricht. Nach der CSRD sollen folgende Unternehmen davon betroffen sein: 

  • Unternehmen, die auf einem regulierten EU-Markt notiert sind;
  •  „Große Unternehmen“ iS der EU-Definition, die nicht auf einem regulierten EU-Markt notiert sind, jedoch mindestens zwei der folgenden drei Merkmale überschreiten:
    • Bilanzsumme von 20 Mio EUR
    • Umsatzerlöse von 40 Mio EUR
    • 250 Beschäftigte (durchschnittliche Anzahl während des Geschäftsjahres) 

In weiterer Folge sind auch kapitalmarktorientierte kleine und mittlere Unternehmen (KMU) von der Ausweitung des Anwendungsbereichs betroffen, denen jedoch eine „Phasing-In period“ von drei Jahren zugestanden wird. Kapitalmarktorientierte Kleinstgesellschaften sind von der Verpflichtung zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts gänzlich ausgenommen. 

Den geplanten Zeitrahmen zur Umsetzung der CSRD finden Sie in der nachfolgenden Darstellung:

 

Dieser sehr ambitionierte Zeitplan führt dazu, dass nicht nur die betroffenen Unternehmen vor großen Herausforderungen stehen, sondern es müssen auch die externen Prüfer zeitgerecht die benötigten Ressourcen und Expertisen schaffen. Folglich sind auch hinsichtlich der praktischen Umsetzbarkeit des CSRD-Entwurfs in Bezug auf die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte noch viele Fragen offen. 

Geplante Änderungen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung 

Doppelte Wesentlichkeit 

Wie schon aus der Änderung der Bezeichnung von „nichtfinanzieller Berichterstattung“ auf „Nachhaltigkeitsberichterstattung“ hervorgeht, kommt es auch zu umfangreichen Änderungen bei den Anforderungen. Insbesondere die geplante Einführung einer sog. „Double Materiality“ führt zu einem Paradigmenwechsel gegenüber der Finanzberichterstattung. Hiebei sollen sowohl von der Umwelt ausgehende Chancen und Risiken auf das Unternehmen (Outside-in) als auch die von den Unternehmensaktivitäten erzeugten Auswirkungen auf die Umwelt (Inside-out) betrachtet werden. Der Fokus liegt dabei auf zukunftsgerichteten Darstellungen, welche in die sog. „ESG-Themen“ (Environmental, Social und Governance) gegliedert werden sollen. Außerdem wird eine Berichterstattung über nicht-physische Ressourcen, die zur Wertschöpfung im Unternehmen beitragen, diskutiert. 

Standardsetzer 

Im Zuge der Standardisierung der europaweiten Nachhaltigkeitsberichterstattung wird die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) mit der Erarbeitung neuer Standards beauftragt. Diese Standards werden sodann von der EU-Kommission übernommen und mittels delegiertem Rechtsakt in der gesamten EU verbindlich. In weiterer Folge soll auch zwischen sektorunabhängigen und sektorspezifischen Angabepflichten unterschieden werden, um eine bessere Vergleichbarkeit der Unternehmen zu ermöglichen. Außerdem sollen für KMUs spezielle Standards entwickelt werden, die zu einer größenabhängigen Berichterstattung führen. 

Form der Veröffentlichung 

Entgegen den bisherigen nationalen Bestimmungen soll bei der künftigen Nachhaltigkeitsberichterstattung kein Wahlrecht mehr in Bezug auf die Form der Veröffentlichung bestehen. Der Entwurf der CSRD sieht die zwingende Aufnahme dieses Berichtes in den Lagebericht vor, was auch Unternehmen, die bisher einen gesonderten Bericht erstellt hatten, vor große Herausforderungen stellt. Neben formattechnischen und inhaltlichen Änderungen führt dies auch zu Veränderungen in der Kommunikationspolitik der betroffenen Unternehmen. In weiterer Folge sind die Nachhaltigkeitsinformationen, gemeinsam mit den Finanzinformationen, im European Single Electronic Format (ESEF) zu veröffentlichen. Für eine einfachere Verfügbarkeit dieser Informationen wurde im 2. Halbjahr 2021 ein Legislaturvorschlag zur Errichtung eines European Single Access Points (ESAP) eingebracht, wodurch sämtliche Unternehmensinformationen online frei zur Verfügung stehen sollen. Dies würde zu einer erhöhten Transparenz und einer besseren Vergleichbarkeit der Unternehmen führen. 

Pflichten und Voraussetzungen für externe Prüfer 

Geplante Prüfungshandlungen 

Prinzipiell ist für die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte der jeweilige Abschlussprüfer der Unternehmen vorgesehen. Die Inhalte der diesbezüglich durchzuführenden Prüfungshandlungen wurden bisher nur grob skizziert und umfassen vor allem die folgenden Aspekte: 

  • Übereinstimmung des Nachhaltigkeitsberichtes mit den Vorgaben der maßgeblichen Standards
  • Durchführung einer Wesentlichkeitsanalyse
  • Elektronisches Tagging der Nachhaltigkeitsinformationen in Übereinstimmung mit der CSRD
  • Umsetzung der Berichtsvorgaben des Art. 8 der Taxonomie-VO 

Zugelassene Prüfer und notwendige Qualifikationen 

Neben der Durchführung dieser Prüfungshandlungen durch den Abschlussprüfer sollen die Unternehmen gemäß der EI VP 765/2008 auch die Möglichkeit bekommen, hiefür einen unabhängigen Prüfungsdienstleister (independent assurance services provider) zu beauftragen. Grundsätzlich ist somit auch die Beauftragung eines anderen Wirtschaftsprüfers oder auch eines über diesen Berufsstand hinausgehenden sonstigen Dienstleisters möglich. Begründet wird dieses Vorhaben vor allem damit, dass der starken Marktkonzentration der „Big Four“-Prüfungsgesellschaften entgegengewirkt werden soll. 

In Zusammenhang mit den steigenden Anforderungen an die externen Prüfer ist es notwendig, dass auch entsprechende Qualifikationsnachweise erbracht werden müssen. Folglich behandelt die Ausbildung zum Wirtschaftsprüfer in Zukunft auch diese neuen Inhalte, damit die künftigen Prüfer die notwenigen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Durchführung der geforderten Prüfungshandlungen erwerben können. Außerdem sind auch laufende Weiterbildungspflichten in Bezug auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung vorgesehen. 

Prüfungssicherheit 

Entgegen den Prinzipien der Prüfung des Finanzberichtes ist bei der Prüfung des Nachhaltigkeitsberichtes zunächst eine Vornahme von Prüfungshandlungen mit begrenzter Sicherheit (limited assurance) vorgesehen. Dadurch sinken möglicherweise sowohl die Qualität als auch die Verlässlichkeit dieser Informationen, wobei allerdings eine Weiterentwicklung der Prüfungsintensität in Richtung hinreichende Sicherheit (reasonable assurance) binnen drei Jahren ab Inkrafttreten der CSRD in Aussicht gestellt wird. Zumindest bis dahin dürfte somit die Erreichung des vorgegebenen Zieles einer (qualitativen) Gleichstellung von finanziellen und nachhaltigkeitsbezogenen Informationen fraglich sein. 

Veröffentlichung und Einstufung der Prüfungshandlungen 

Die Durchführung und Ergebnisse der Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung sind jedenfalls im Bestätigungsvermerk anzuführen. Im Zuge dieser Prüfung ist auch ein Key Audit Partner zu benennen. Außerdem bestehen hinsichtlich der Prüfungsaufsicht, Bestellung und Honorare dieselben Bedingungen wie für die Abschlussprüfung betreffend Finanzberichterstattung. Allerdings wird die Pflichtprüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach dem CSRD-Entwurf als „Nichtprüfungsleistung“ eingestuft, was insbesondere für die Abschlussprüfer bei Beachtung des „Fee Cap“ relevant ist. 

Offene Punkte 

Klar ist, dass der CSRD-Entwurf zu einer deutlichen Aufwertung der Nachhaltigkeitsberichterstattung führt. Jedoch sind bis zur tatsächlichen praktischen Umsetzbarkeit noch viele offenen Fragen zu klären: 

Notwendige Kompetenzen 

Primär geht die vorgesehene externe Pflichtprüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung mit einer Weiterentwicklung und Verbesserung der eingesetzten Methoden und Instrumente einher. Insbesondere die Aussicht auf die in absehbarer Zeit wahrscheinliche hinreichende Prüfungssicherheit verlangt eine hohe Kompetenz der externen Prüfer. Folglich müssen seitens der Gesetzgeber auch dementsprechende Qualifikationsverpflichtungen festgelegt und implementiert werden. 

Ressourcenengpässe für die Prüfung 

Ein weiteres Problem geht mit der Erhöhung der Zahl der anwendungspflichtigen Unternehmen einher. Alleine in Österreich dürfte sich die Zahl der Unternehmen, die einen verpflichtenden Nachhaltigkeitsbericht erstellen und prüfen lassen müssen, in etwa verzehnfachen (siehe oben), wobei die Ressourcen für die Bewältigung dieses Prüfaufwands erst geschaffen werden müssen. Dies stellt insbesondere eine große Herausforderung für das Recruiting der Wirtschaftsprüfungskanzleien dar, zumal bereits jetzt ein Mangel an einschlägig ausgebildeten Arbeitskräften zu konstatieren ist. Vor allem für kleine und mittelständische Kanzleien besteht hier ein großer Nachholbedarf, da auch die notwendigen fachlichen Expertisen oftmals noch nicht gegeben sind. Außerdem sorgt die zunehmende Sensibilität der Öffentlichkeit in Bezug auf das Thema „Nachhaltigkeit“ für erhöhten Druck auf die Verlässlichkeit der Nachhaltigkeitsberichterstattung. 

Fehlende Expertise in der Beratung 

In Hinblick auf die bevorstehenden Herausforderungen für Vorstand bzw Geschäftsführung sowie Aufsichtsrat von Unternehmen, die in Zukunft (erstmals) auch eine Nachhaltigkeitsberichterstattung leisten müssen, ist auch das Potenzial für eine diesbezügliche externe Beratung enorm. Gerade in der Übergangsphase wird es jedoch speziell für (kleinere) Kanzleien schwierig sein, die notwendigen Fachkenntnisse und Ressourcen bereitzustellen, um ihren Mandanten zufriedenstellende Beratungsleistungen anbieten zu können.

FAZIT 

Der Richtlinienvorschlag der EU-Kommission zur künftigen Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) soll nicht nur für eine erhöhte Transparenz der Unternehmen in Bezug auf ihre Nachhaltigkeit sorgen, sondern auch für Veränderungen in der Unternehmensführung. Aufgrund der Anpassung der Kriterien für die verpflichtende Aufstellung eines Nachhaltigkeitsberichts erhöht sich die Anzahl der betroffenen Unternehmen drastisch. Dies führt nicht nur für die Ersteller der Nachhaltigkeitsberichte zu großen Herausforderungen, sondern insbesondere auch für die Wirtschaftsprüfer, die primär für die Prüfung dieser Berichte vorgesehen sind. Der ambitionierte Zeitplan für die Umsetzung, wonach die neue Nachhaltigkeitsberichterstattung bereits für Geschäftsjahre beginnend ab 1.1.2023 anzuwenden sein soll, konfrontiert auch den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer mit der Notwendigkeit, bereits in der Vorbereitungsphase entsprechende Maßnahmen zu setzen, um den verlangten Anforderungen zeitgerecht entsprechen zu können. Allerdings bestehen derzeit noch viele offene Fragen. Die bestehenden Unklarheiten über durchzuführende Prüfungshandlungen, die offene Bewältigung der bestehenden Ressourcenengpässe sowie ein hoher Nachholbedarf bei der Expertise zu ESG-Themen verunsichern derzeit externe Berater und Prüfer gleichermaßen. Es ist ein Gebot der Stunde, die Entwicklungen in diesem Bereich genau zu beobachten und rechtzeitig die gebotenen Maßnahmen einzuleiten. 

Gerne werden wir Sie im Rahmen unseres Newsletters auch weiterhin über die aktuellen Entwicklungen bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung auf dem Laufenden halten. 

Für weitere Fragen stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen ExpertInnen unserer Service Line „Audit“​​​​​​​ gerne zur Verfügung!